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Solaris 8, Final Release

Stehende Unendlichkeit

Stephan Dresen

Jedes Jahr eine neue Version - 1999 war es Solaris 7, im Jahr 2000 Solaris 8. Ob sich der Wechsel lohnt, verrät ein genauerer Blick auf Suns neues Betriebssystem.

Unterthema: iX-TRACT
Unterthema: NEUE FEATURES VON SOLARIS 8
Unterthema: ONLINE-QUELLEN
Unterthema: Ausblick auf Solaris 8.1
Unterthema: Installation mit Stolpersteinen

Eigentlich müsste es Solaris 2.8 heißen oder genauer SunOS 5.8 - doch mit der hohen Versionsnummer 8 lässt sich Suns neues Betriebssystem möglicherweise besser verkaufen. Seit einigen Wochen ist die `Final Release' auf dem Markt und wird zusammen mit einem großen Bündel Zusatzsoftware `kostenlos' auf neun CDs von Sun an die Unix-Gemeinde versendet. Vom `Free Solaris Binary License Program' spricht die amerikanische Softwarefirma und vom `.com-grade Solaris 8 Operating Environment at home or at work - without paying a license fee'.

Wer sich jedoch durch die zahlreichen Webseiten (http://www.sun.com/software/solaris/binaries/index.html) kämpft, stellt bald fest, dass das Betriebssystem gar nicht so kostenlos ist. Neben der Registrierung und den Daten für eine Umfrage verlangt Sun nach der Kreditkartennummer, um 75 US-$ für Medien sowie 26,50 $ für Transport und Verpackung abbuchen zu können. Beim aktuell hohen Dollarkurs beläuft sich das auf über 215 DM. Auf den Intel-Plattformen kann Sun da kaum mit den Linux-Distribution mithalten und übertrifft sogar die Lizenzkosten von MS Windows 98 SE OEM.

Mehr Gewicht auf neue Features

Waren es bei Solaris 7 besonders die `inneren' Werte, die einen Wechsel begründeten, machen eine Reihe neuer Features und Softwarebeigaben (siehe Tabelle), die Nachfolgeversion interessant. Die hybride 64-Bit-Architektur hat bereits unter Solaris 7 eine friedliche Koexistenz von 32- und 64-Bit-Anwendungen auf einer 64-Bit-Plattform (UltraSPARC oder Intels Merced) ermöglicht. Auch UFS-Logging sowie Performance-Gewinne durch den Runtime-Linker wies bereits die Vorgängerversion auf.

Mit IPv6, der Neufassung der Internet-Protokolls, stehen der erweiterte Adressraum sowie vereinfachte Header-Formate zur Verfügung. Die Adresszuweisung lässt sich automatisch konfigurieren. Wer IPv6 gleich ausprobieren möchte, kann sich mit 6bone, einem experimentellen IPv6-Netz verbinden, das meist per Tunneling erreicht wird. (Tunneling = das Einpacken von Paketen fremder Protokolle in eigene Pakete. Mehr zum IPv6-Tunneling unter http://www.6bone.net). Mit IPSec unterstützt Solaris 8 AH- und ESP-Header zum Authentifizieren und Verschlüsseln. Zwar können jetzt statische, vorkonfigurierte Schlüssel (`shared secrets', gemeinsam bekannter Key) verwendet werden, der automatische Schlüsselaustausch durch ISAKMP (Internet Security Association Key Management Protocol) beziehungsweise dessen Abkömmling IKE (Internet Key Exchange) funktioniert jedoch noch nicht.

Sicherung durch Kerberos und SmartCards

Wer bei der Installation zustimmt, kann zusammen mit Solaris 8 das Authentifizierungssysystem Kerberos 5 installieren. Ansonsten stehen ihm für die Zugriffsverwaltung die Dateien passwd und shadow zur Verfügung. Nachträglich lässt sich Kerberos 5 als SEAM (Sun Enterprise Authentication Mechanism) über das Admin-Packet von http://www.Sun.COM/software/solaris/easyaccess/sol8.html kostenlos laden und nachinstallieren. Die Konfigurationsdateien krb5.conf und warn. conf liegen nach der Installation in /etc/krb5 oder /var/krb5, die Binaries in /usr/lib/krb5 oder /usr/krb5.

Unter anderem zum Absichern von Systemen hat Sun neue SmartCard-Funktionen implementiert. Ein Back-End für den Verzeichnisdienst, der auf dem Lightweight Directory Access Protocol (natives LDAP) basiert, ist durch den Name-Service-Schalter im Betriebssystem vorhanden. Damit können Netzwerkverwalter LDAP als bevorzugten Name Service für den Zugriff auf Verzeichniseinträge festlegen. Hierzu müssen sie die Vorlagendatei nsswitch.ldap in /etc/nsswitch.conf kopieren. So kann unter Solaris 8 auf Verzeichnisdienste zugegriffen werden.

Für Entwickler ist das Java 2 Software Development Kit (SDK) dabei. Mit X11R6.4 wird eine recht neue Version des X Window System installiert (inklusive Color Utilization Policy, EnergyStar-Unterstützung, Xinerama sowie der Funktion, X-Anwendungen per Fernzugriff durch einen Webbrowser oder einem beliebigen webbasierten Desktop ausführen zu können). Solaris 8 unterstützt das UDF-Dateisystem (Universal Disk Format), das Benutzern den Austausch von Daten ermöglicht, die auf CD-ROMs, Festplatten, Disketten, DVDs und anderen optischen Medien gespeichert sind. Mit den nicht ganz sauberen UDF-Varianten einiger Hersteller für den PC hat Solaris (ähnlich wie Linux) allerdings Probleme. Es kann die Daten dieser Medien zwar lesen, nicht aber schreiben. Mit der PDA-Synchronization (PDASync) lassen sich laut Dokumentation die Daten von Desktop-Anwendungen wie dem Calendar oder dem Mail-Client mit denen entsprechender PDA-Applikationen abgleichen. Hinzu kommen Verbesserungen einer Reihe älterer Funktionen.

Von GNU Tools bis Oracle 8i

Endlich hat Sun dem Wunsch zahlreicher Nutzer entsprochen und den Lieferumfang um eine CD mit GNU Utilities und Sourcen ergänzt, die mit dem Betriebssystem installiert werden. gzip, bash (Version 2.03.0(1)), tar (gtar) und perl in Version 5.005_03 sind zusammen mit den gz-Tools in /usr/bin/ zu finden. Der Webserver Apache 1.3.9 liegt in /usr/apache, und Netscape in der Version 4.7 wird als Standard-Browser in den CDE-Desktop eingebunden. Über einen schönen Java-Wizard lässt sich der GCC von http://www.sunfreeware.com/ einfach als Compiler nachinstallieren, um das nur für die Kernel-Konfiguration zu gebrauchende CC-Frontend zu ersetzen.

Das ebenfalls mitgelieferte StarOffice lässt sich von der CD aus ebenfalls einfach über einen Wizard installieren. Weniger schön ist allerdings, dass die Software dabei per Vorgabe versucht, sein Hauptverzeichnis im Root-Directory anzulegen - gut, dass sich das wenigstens leicht ändern lässt. Optimiert werden könnte auch das automatische Einrichten wesentlicher Funktionen, etwa der E-Mail-Applikation. Wurde das mit dem CDE verbundene Standard-Mail-Programm von Solaris bereits richtig konfiguriert, könnte StarOffice theoretisch alle wesentlichen Parameter dort erfragen. Dass es stattdessen beim Aufruf des Mail-Formulars und nicht vollständiger Eingabe der Eigenschaften mit einer unverständlichen Fehlermeldung und einem Core-Dump abstürzt, sollte dringend im nächsten Bug-Fix behoben werden. Zum `Spielen' und `Testen' ist auch die auf einer Bonus-CD beiliegende 30-Tage-Testversion der Enterprise Edition von Oracle 8i verhältnissmässig schnell installiert und konfiguriert. Die unbeschränkte Vollversion verkauft Oracle über http://store.oracle.com für 750 $ oder bietet sie als Jahreslizenz an. Unabhängig davon lohnt es sich, über die auf der Rückseite des Booklets angegebene Webadresse http://technet.oracle.com/register/sunoffer/index.htm, kostenloses Mitglied der Entwicklergemeinde zu werden.

Fazit

Erste Benchmarks auf der Intel-Plattform zeigen, dass Solaris 8 keinen spürbaren Geschwindigkeitsvorteil gegenüber seinem Vorgänger bringt. Auf einem AMD-K6-Rechner mit 333 MHz liefen die iX-SSBA-Tests sogar leicht langsamer. Laut Sun soll es hinsichtlich der SPARC-Version ebenfalls kaum Unterschiede geben.

Ein Wechsel lohnt sich nur für diejenigen, die eins der neuen Features dringend benötigen oder bereits jetzt IPv6 einsetzen wollen. Bei einer Neuinstallation ist es natürlich sinnvoll, sich gleich für Solaris 8 zu entscheiden. (ka)

STEPHAN DRESEN

ist Geschäftsleiter von novalis media, dem Bereich `Neue Medien' der Firmen Vereinigte Verlagsanstalten GmbH, Düsseldorf, und Wesel Kommunikation, Baden-Baden.

Literatur:

[1] Ulrich Eickhoff; Der große Sprung; Solaris 7: die 64-Bit-Ausgabe; iX 12/98, S. 89 ff.

[2] Stephan Dresen; Ins Maul geschaut; Solaris 7 für PCs konfigurieren; iX 2/99, S. 133 ff.

Kasten 1


iX-TRACT

Kasten 2


NEUE FEATURES VON SOLARIS 8

Beide Versionen:


Für die x86-Version kommen hinzu:

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ONLINE-QUELLEN

Solaris online Dokumentationhttp://docs.sun.com
Freeware für Solarishttp://www.sunfreeware.com
Solaris 8 (Intel Platform Edition)
HardwareCompatibility List
http://soldc.sun.com/support/drivers/hcl/8/fcs/BOOK.htm

Solaris FAQhttp://www.sun.drydog.com/faq/
Bestelladressehttp://www.sun.com/developers/solarispromo.html#order

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Ausblick auf Solaris 8.1

Seit einigen Monaten arbeitet Sun bereits an der nächsten Betriebssystemversion, die jedoch noch nicht Solaris 9 heißen wird. Geplant ist mit Solaris 8.1 zunächst ein Update auf die aktuelle Release, das sowohl die nächste Java-Generation als auch die Jini-Klassenbibliotheken für die Kommunikation zwischen unterschiedlichen Geräten enthalten soll.

Auch mit der Beseitigung von Fehlern in Solaris 8 sind die Entwickler beschäftigt. Bis Anfang Juni gab es bereits 21 Patches und 32 Bugfixes für die x86-Version sowie 30 Patches und 59 Bugfixes für die SPARC-Version. (Zum Vergleich: Bei Solaris 7 gab es insgesamt 197 beziehungsweise 234 Patches und 1137 respektive 1473 Bugfixes.)

Mit showrev -p zeigt Solaris, welche Patches bereits installiert sind. Unter http://sunsolve.sun.com/ listet der Patch-Report im Zweimonatsrhythmus die neuesten auf und stellt sie zur Verfügung. Patches gibt es natürlich auch auf zahlreichen Sun-Sites. Nach erfolgreicher Einspielung sind die alten Dateien unter /var/sadm/patch/ oder /var/sadm/pkg/ zu finden.

Kasten 5


Installation mit Stolpersteinen

Für eine erfolgreiche Installation von Solaris 8, vor allem auf Intel-Rechnern, sind zahlreiche Hürden zu nehmen. Hier zeigt sich, dass Sun mit vorinstalliertem Solaris auf SPARC-Rechnern eigentlich Komplettlösungen avisiert und die Intel-Version eher mitlaufen lässt. Von den kleinen Übersetzungsmängeln, die seit der Beta Ende 1999 noch nicht behoben wurden, war bereits in iX 6/2000 (S. 26) die Rede.

Als gravierender erweist sich allerdings ein Fehler in der Intel-Version. Wählt der Benutzer als Namensdienst DNS, sollte er tunlichst vorher überprüfen, dass Hostname und IP-Adresse vom Netzverwalter korrekt im Nameserver eingetragen sind. Auch sollte er genau darauf achten, dass er sich bei der Eingabe der Daten während der Installation nicht verschreibt. Andernfalls kann das zeitraubende Konsequenzen haben, da Solaris eine Korrektur der Eingabe nicht übernimmt, sondern stattdessen eine nichtssagende Fehlermeldung ausgibt. Die Installation lässt sich in dem Fall nur durch Abbrechen des Vorgangs fortsetzen. Nach etwa weiteren zwei Stunden ist die Installation dann scheinbar `erfolgreich' beendet. Doch beim Neustart kennt das System weiterhin nur die alten, falschen DNS-Parameter und bleibt demzufolge `hängen'. Dem Laien bleibt nur die komplette Neuinstallation, was bei einer Netto-Installationszeit von zwei bis drei Stunden sehr ärgerlich ist.

Erfreulich dagegen ist, dass sich trotz aller Java-Euphorie das Betriebssystem auch in Version 8 noch ohne die `Java Webstart Installation' mit der `Software 1 of 2'-CD booten und installieren lässt.

Während sich bei Microsoft die Hardwarehersteller die Klinke in die Hand geben, hat es Sun noch immer schwer, auf Intel-Rechnern die neueste Hardware zu unterstützen. Deshalb sollte vor dem PC-Kauf unbedingt die Hardwarekompatibilitätsliste unter http://soldc.sun.com/support/drivers/hcl/8/fcs/BOOK.htm zu Rate gezogen werden.

Treiber nachladen

Vor allem die Unterstützung von Netzwerkkarten lässt zu wünschen übrig. NE2000-Treiber enthält Solaris 8 nicht mehr. (Die fehlende Unterstützung von ISA-Karten sollte eigentlich nicht bedeuten, dass auch die NE2000-PCI-Karten aus der Liste entfernt werden). Abhilfe schafft ein kleiner Trick: Dazu müssen die NE2000-Treiber nei und nei.bef aus der Solaris-7-Distribution in das Verzeichnis /kernel/drv/ kopiert werden. Danach schreibe man die Datei /kernel/drv/ nei.conf mit entsprechendem Kommentar. Bei Solaris 7 sah das etwa so aus:

name="nei" parent="isa" \
reg=1,0xf600,0x1f interrupts=15;

natürlich mit korrekten I/O-Adressen und IRQ. Anschließend richten die Befehle add_drv /kernel/drv/nei; devlinks die Devices ein. Danach darf der Benutzer nicht vergessen, IP-Nummer und Rechnernamen in /etc/hostname.nei0 sowie /etc/ hosts einzutragen. Nach einem reboot erfolgt sicherheitshalber noch ein ifconfig nei0 [IP-Nummer] - das wars.

Probleme mit Netzwerkkarten tauchen in den Newsgroups immer wieder auf. Solaris 8 erkennt die Karten nicht, auch wenn diese exakte Nachbauten bekannter Marken wie Intel, 3Com, Realtek oder SMC sind. Grund dafür ist, dass Hersteller und ID nicht in der Datei /etc/driver_aliases eingetragen sind. Die Karten laufen, wenn der Eintrag per Hand erfolgt. Dazu muss nur ein Solaris bekanntes Modell mit gleichem Chipsatz (etwa iprb für den Intel-Chipsatz 82559) kopiert und um die Hersteller-ID, wie sie das Plug&Play -BIOS meldet, ergänzt werden. Mit Sun-Hardware, sowohl den SPARC-Rechnern als auch deren Clone, gibt es naturgemäß kaum Schwierigkeiten.

Absturz bei 16 Bit Fabtiefe

Werden auf x86ern mehr als 256 Farben bei der ersten Konfiguration der Grafikkarte ausgewählt, führt dieses fast immer zu einer Endlosschleife beim fehlerhaften Aufruf des CDE. Später lassen sich problemlos mehr Farben auswählen. Ein Blick in die Referenzdatei /usr/openwin/share/etc/ devdata/SUNWaccel/boards zeigt, was möglich ist. Danach kann der Anwender in /etc/ openwin/server/etc/OWconfig die Farbtiefe von defdepth="8" zum Beispiel in defdepth ="24" ändern. Achtung: Vorsicht ist bei einer Farbtiefe von 16 Bit geboten, da sie häufig zum Absturz des Fenstersystems führt.

Weiter empfiehlt es sich, den UDMA-Bus zur Datenübertragung zwischen Festplatte und Prozessor bei der Installation auszuschalten, auch wenn Solaris ihn bereits seit Version 7 unterstützt. In der Voreinstellung ist der DMA-Modus für ATAPI-Devices zunächst generell abgeschaltet. Der Direct Memory Access lässt sich später mit dem Device Configuration Assistant über ata-dma-enabled aktivieren. (Siehe auf http://docs.sun.com: Solaris 8 Release Documents Collection > Online Release Notes Update.)

In den News-Gruppen sprechen Solaris-Nutzer davon, dass sie die neue Version in sechzig Minuten aufgespielt hätten. Allerdings beziehen sie sich dabei auf die Kerninstallation. Die Installation der Vollversion benötigt bis zu drei Stunden. Wer ein Update einspielen will, muss noch erheblich mehr Geduld mitbringen. Da das System sämtliche Konfigurationen sichert und dann ein Update auf Paketbasis durchführt, kann dies auf einem langsamen Intel-Rechner bis zu sechs Stunden dauern.